Die Siesta ist die Zeit der Ruhe, ich nutze sie nicht für ein Nickerchen, sondern um meinen Gedanken freien lauf zulassen. … Heute war ein Tag, an dem ich diese Zeit sehr genoss, alle neun Mitbewohner unseres kleinen Heimes schliefen – von dieser Hitze hingerafft, die alles zu betäuben scheint.
Ich saß draußen im Garten, im Schatten am steinernen Tisch, lauschte dem Wind, der seichter wurde und sich ebenfalls niederzulegen schien. Die Ruhe wurde durch ein Rascheln im Gebüsch durchbrochen, eine Frau erschien. „Buenos Dias“ begrüßte sie mich. … Eine Alte mit freundlichem Lächeln, das Alter schwer einzuschätzen, sehr faltig und dennoch gelenkig und agil, bestimmt über 80. Ihr Aussehen erinnerte mich an mich selbst, nur viel älter. „Buenos Dias“ wiederholte sie fordernd. „Buenos Dias“ erwiderte ich stutzend.
Wie war sie über die hohe Mauer gelangt? Sie setze sich unaufgefordert auf einen der steinernen Hocker und wühlte in ihrem Korb, aus dem sie alles für einen Mate entnahm, Kalebasse, Bombilla, Yerba und eine Thermoskanne. Sie bereitete einen Mate zu, den sie mir mit einem herzlichen Lächeln reichte. Die ganze Situation war ungewöhnlich, aber nicht bedrohlich. Wir sprachen kein Wort, was aber nicht unangenehm war. Nein, ganz im Gegenteil, mich umgab eine Geborgenheit, die ein Wort gestört hätte. So saßen wir eine halbe Ewigkeit den Mate schlürfend zusammen. Ich genoss die Ruhe und eine Gemeinsamkeit, die ich so zuvor noch nie erlebt hatte. Da waren keine Fragen, keine Forderungen, keine Erklärungen, keine Erwartungen … Nach der halben Ewigkeit war das Wasser der Kanne ausgeschöpft. Die Alte leerte die Kalebasse am Rande des Gebüsches und sagte: „Gracias Mamita“ und verschwand, wie sie gekommen war mit einem Rascheln im Gebüsch. „Gracias“ sagte ich …
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